Wer kennt das Gefühl, wenn man am Morgen aufsteht, aus dem Fenster schaut und es über Nacht 30-40 cm Neuschnee gegeben hat. Man packt seine Freeride-Ausrüstung zusammen, geht zur nächsten Bergbahn, fährt mit dem Lift den Berg hinauf und steht dann ganz oben an einem unverspurten, komplett jungfräulichen Hang. 3, 2, 1, Drop in!
Die Schwünge im hüfthohen Powder sind so ziemlich das Schönste für uns Freerider. Aber parallel dazu ist da noch die winterliche Bergwelt, in der sich die Bedingungen ständig ändern können. Hänge, die an einem Tag "safe" sind, können ein paar Tage später mit Treibschnee durchsetzt sein. Neuschnee und Wind ändern die Lawinensituation. Das sollte jedem, der im Backcountry unterwegs ist, auch bewusst sein.
Überall in den Bergen lauern Gefahren, denen sich viele Leute gar nicht bewusst sind. Leider trifft man immer wieder Leute im Backcountry an, welche ohne Rucksack mit Notfallausrüstung inkl. LVS (Lawinen-Verschütteten-Suchgerät) unterwegs sind. Wenn man sie dann auf die nicht vorhandene Notfallausrüstung anspricht, reagieren diese meist gelassen und antworten: "Es ist ja nur Stufe 2, da kann schon nichts passieren." oder "Ich bin diesen Hang (35° Grad Neigung) schon unzählige Male gefahren und es ist noch nie was passiert." Was passiert aber, wenn wirklich eine Lawine abgehen sollte und es zu einer Verschüttung kommt? Wie werden mögliche Verschüttete gesucht, geortet und dann ausgeschaufelt?
Wieso diese Kampagne?
Jedes Jahr sterben im Alpenraum 90 - 110 Personen in einer Lawine. Jede davon ist eine zu viel. Daher sehen wir uns als Retailer mit der Passion für Wintersport in der Verantwortung, euch hier entsprechendes Wissen und Erfahrungen zugänglich zu machen.
In der heutigen Zeit sind immer mehr Menschen ohne große Erfahrungswerte oder einen erfahrenen Guide in den Bergen unterwegs. So kommt es vermehrt zu tragischen Unglücksfällen. Nicht selten passieren solche Unfälle, weil nur ein rascher Blick auf den Lawinenlagebericht geworfen wird oder Lawinenwarnstufen teils sogar komplett ignoriert werden. Weiter kann es sein, dass das Know-how für die Notfallausrüstung lückenhaft ist oder die Freerider einfach Spuren folgen, obwohl diese in einen sehr steilen Hang hineinführen und eventuell schon mehrere Tage alt ist.
Ein möglicher Auslöser für ein solches Verhalten können unter anderem Social Media Postings oder Video Parts von erfahrenen Freerider*innen sein. Auf ihren Channels verbreiten sie Vorfreude auf frischen unverspurten Powder und alles sieht so easy aus. Solche Images möchte man dann selbst von sich in den sozialen Netzwerken verbreiten, was wiederum andere Leute dazu motiviert, ihr gefährliches Unterfangen noch zu steigern, nochmals einen draufzulegen und etwas noch Exponierteres oder Steileres zu fahren. Es wird viel gepostet, was eben nur einen kurzen Moment zeigt, aber gleichzeitig ausblendet, was alles für diesen einen Shot an Vorarbeit investiert wurde. So eifern viele Snowboarder*in und Freeskier*in den Profis nach, die z.B. auf der Freeride World Tour unterwegs sind, und übersehen oft jegliche Gefahr. Jede*r professionelle Athlet*in war sicher einige Mal in der Situation, dass er*sie sich oben vor dem Drop-in in ein Face doch dagegen entschieden hat, dieses nun zu befahren, weil die Conditions oder das Bauchgefühl nicht gepasst haben. Solche Situationen werden meistens nicht gezeigt oder gepostet und daher kommen solche Entscheidungen nicht bei seinen*ihren Followern an.
Zusammen mit ABS und dem Ausbildungsprogramm risk’n’fun möchten wir deswegen mehr Verständnis für Lawinensicherheit schaffen und aufzeigen, wie viel Vorbereitung hinter einem Foto von einer schönen Freerideline steckt. Man soll auf keinen Fall einfach so drauflosfahren, nur weil andere schon diese Line gefahren sind und der Schnee fluffy ist.
Wie gehen ABS, risk'n'fun und Blue Tomato mit dem Thema Lawinensicherheit um?
Manuela Mandl - ABS athlete
Wir professionellen Freerider*innen haben eine ganz besondere Rolle, weil unser Sport, das Powdern, so geil aussieht. Und sich auch so gut anfühlt. Wir produzieren extrem schöne Bilder und lassen unsere Lines so einfach und verspielt aussehen. So wie man auf einem Foto aus der Karibik die Moskitos nicht sieht, sieht man bei den Aufnahmen von Powderturns und Drops nicht, wieviel gewissenhafte Planung, spezielle Ausbildungen und jahrelange Erfahrung in so einem Moment zusammenkommen. Am Berg muss man immer drauf achten, dass man konzentriert bleibt, auf jedes Detail achtet, die richtige Ausrüstung hat und sich an Routinen hält - auch wenn es noch so ein geiler Powdertag ist.
Manuela Mandl (FWT Gewinnerin & ABS Athletin)
Joch Hermann - ABS
MAXIMALE VORBEREITUNG FÜR MAXIMALEN SPASS AM BERG - NACH DIESEM MOTTO BEWEGE ICH MICH IM BACKCOUNTRY. EIN GESUNDES RISIKOMANAGMENT MUSS DEN SPASS AM BERG NICHT AUSSCHLIESSEN!
Joch Hermann (ABS Mitarbeiter)
Nico Hartmann - Blue Tomato
Am Freeriden fasziniert mich immer wieder, dass ich mir die Freiheit nehmen kann, da runter zu fahren, wo ich runterfahren will. Wenn man nun das Ganze noch mit breiten Touringskiern und Fellen kombiniert, dann ist fast keine Bergflanke unerreichbar. Beim Freeriden ist es mir besonders wichtig, dass ich mit Leuten unterwegs bin, auf die ich mich in einem Notfall verlassen kann. Leider kann auch bei der penibelsten Vorbereitung immer was nicht wie geplant laufen und dann zählt jede Sekunde. Um aber gar nicht erst in so eine Situation zu kommen, ist eine situative Lagebeurteilung das wichtigste und gegebenenfalls müssen Pläne abgeändert oder sogar komplett abgebrochen werden. Safety First!
Nico Hartmann (Blue Tomato Mitarbeiter)
Ursl Wohlschlager - risk'n'fun team
Bei risk´n´fun geben wir allen Snowboarder*innen und Skifahrer*innen die notwendigen Skills für gute Entscheidungen im Gelände mit. Das Thema Verantwortung spielt dabei immer eine große Rolle. Verantwortung für sich selbst, die Crew, mit der man unterwegs ist und auch die Bergwelt, in der wir uns bewegen, sind dabei entscheidend. Mit einer fundierten Ausbildung erweitern und optimieren wir den Aktionsradius von jedem der Freerider*innen. Gleichzeitig ist es auch unsere Mission, das Selbstbewusstsein von jedem Einzelnen zu stärken. Weil gerade auch dem Faktor Mensch und dem komplexen Thema der Gruppendynamik beim Freeriden eine entscheidende Rolle zukommen.
Ursl Wohlschlager (Snowboardführerin risk'n'fun Team)
Frische dein Lawinen-Know-how auf
Damit hier wir hier nicht nur leere Worte niederschreiben, hat uns risk'n'fun (Ein Programm des Österreichischen Alpenvereins) in Zusammenarbeit mit der Alpenvereins-Initiative "SicherAmBerg" folgende Lehrvideos zur Verfügung gestellt. Diese dienen dir als Auffrischung deines Know-hows, ersetzen jedoch keinesfalls einen mehrtägigen Kurs draußen im Gelände. Falls dein letzter Kurs bereits einige Zeit in der Vergangenheit liegt bzw. du noch nie so einen Kurs besucht hast, können wir dir einen Kurs bei risk'n'fun nur ans Herz legen. Wir bei Blue Tomato besuchen jedes Jahr einen Kurs und lernen immer wieder was Neues dazu. Je besser du eine Lage oder das Lawinen Risiko einschätzen kannst, desto eher bist du auf der sicheren Seite und triffst in den entscheidenden Momenten die richtige Entscheidung.
Die folgenden Videos nehmen euch mit in die winterlichen Berge. Schau dir die Videos an, um dich wieder mit deinem Notfallequipment vertraut zu machen.
Notfall Lawine - was tun
Worst-Case-Szenario Lawinenabgang: Wie läuft die Verschüttetensuche Schritt für Schritt ab? Wie geht man mit der Notfallausrüstung (LVS-Gerät, Schaufel, Sonde) um? Wie findet man Verschüttete rasch im Lawinenkegel, um sie möglichst ohne Zeitverlust bergen zu können?
Dieses Ablaufschema zu erlernen und immer wieder zu wiederholen, ist essentiell. Weil nur wenn ein Schema wirklich sitzt, kann man es in einer Ernstsituation wieder abrufen und bewahrt dadurch den nötigen kühlen Kopf.
"Es ist ganz essentiell, dieses Ablaufschema zu erlernen und regelmäßig zu wiederholen. Uns muss bewusst sein: Ein Lawinenunfall ist immer eine enorme Stresssituation! Nur wenn ich ein Schema verinnerlicht habe, bin ich in der Lage, situationsangepasst zu reagieren, richtig zu improvisieren und Leben zu retten. Zeit ist Leben.", sagt Michael Larcher, Leiter der Bergsportabteilung im Alpenverein.
How to: LVS Check
Die Kontrolle des Lawinenverschüttetensuchgerätes, der sogenannte "LVS-Check", ist eine wichtige und einfache Standardmaßnahme, die wir am Beginn von jedem Freeride- oder Tourtag empfehlen. Und zwar am Ausgangspunkt, bei der Bergstation oder vor der Hütte. Beim "kleinen LVS-Check" wird die Sendefunktion überprüft, beim "großen LVS-Check" auch die Suchfunktion.
How to: richtig sondieren
Zeit ist Leben! Die Punktsuche mittels Lawinensonde spielt bei der Lawinenrettung eine entscheidende Rolle. Sie gibt Aufschluss über Position und genaue Verschüttungstiefe und bildet zugleich eine Nabelschnur zur verschütteten Person. Deshalb bleibt die Sonde nach einem Treffer immer stecken! Wie sondiert wird und was dabei zu beachten ist, seht ihr in diesem Video-Tutorial.
How to: richtig schaufeln
Der meist längste und auch anstrengendste Teil der Lawinenrettung stellt das Ausschaufeln dar. Dabei kann man viel Zeit gut machen, aber auch viel Zeit verlieren. Je mehr Schaufler, desto besser! Aber nur, wenn jede:r von eurer Crew weiß, was zu tun ist. Es kommt auf die richtige Technik und auf die richtige Strategie an. Check it out!